Es war einmal ein Fischer, der war ein Meister seiner Kunst. Jedes Mal, wenn er aufs Meer hinausfuhr und sein Netz auswarf, gingen ihm die schönsten, dicksten Fische hinein und er und seine Familie litten nie Hunger, weil sie selbst davon essen und die übrigen auf dem Markt verkaufen konnten… Die geneigte Leserin, der geneigte Leser hat es schon geahnt: Es geht um Taiji. Speziell geht es um Yang-Stil Taiji in der Tradition von Meister Yang Chengfu (1883-1936). Alle Zeugnisse belegen: Er beherrschte die Kunst, ein Netz zu knüpfen, das einen ausgesprochen dicken Fisch an Land ziehen konnte – die Jin-Kraft, das Wesentliche des Inneren Taiji.
Jetzt sind es schon über 10 Jahre, dass wir in der Taiji Akademie mit den Atemtypen arbeiten, also die Bewegungsabläufe und Stellungen in zwei Varianten praktizieren und unterrichten.
Das Spannende am Atemtyp ist, dass er den Körper prägt, angefangen bei der Körperhaltung und -bewegung. Wenn das Ausatmen die starke Phase der Atmung eines Menschen ist (er braucht es gar nicht zu merken) wird der Körper von der abwärts gerichteten Ausrichtung der Ausatemmuskulatur geprägt. Folglich stehen Ausatmer im Taiji leicht nach vorn geneigt. Einatmer werden dagegen vom aufsteigenden Einatem als ihrer starken Phase getragen. Sie stehen aufrecht. Das ist auch ohne Wissenschaft nachvollziehbar. Wer es einmal gespürt hat, weiß: Gemäß dem eigenen Atemtyp zu stehen, fühlt sich „richtig“ an.
Frieder Anders | Wer weiß, spricht nicht - oder doch?
Manchmal braucht es Jahrhunderte, um alte Denker zu verstehen. Hinzu kommt das Übersetzungsproblem: Texte, die von inneren Erfahrungen Kunde geben, können nur in dem Maß verstanden werden, in welchem die Lesenden über gleiche oder ähnliche Erfahrungen verfügen. Andernfalls bleiben sie abstrakte Lektüre, die allerdings sehr anregend wirken kann. Umso mehr steht und fällt ein übersetzter Text mit dem Verständnis des Übersetzers/der Übersetzerin. Sachverhalte fern vom eigenen Erfahrungsschatz in eine andere Sprache zu übertragen, bringt nur Interpretationen heraus. Diese können mitunter stark vom eigentlich Gemeinten abweichen. Und dieses Schicksal ist dem weltliterarischen Zhuangzi widerfahren.