Seien wir ehrlich: für viele von uns bedeutet „Entspannung“ abends die Couch-Potatoe-Füße hochlegen, nach der Verausgabung am Tag sich aus der Glotze und aus dem Glas etwas reinziehen („erst mal entspannen, erst mal Picon“ hieß vor Jahren ein Slogan für einen Aperitif). Oder, etwas aufwendiger, in einer Wellness-Oase abhängen und Anwendungen der angenehmen Art über sich ergehen lassen. Ist ja auch nicht verkehrt, mal abschlaffen. Mal richtig passiv sein. Also wenn Entspannung passiv ist, muss andrerseits Bewegung her: sich ordentlich auspowern beim Laufen oder an den Geräten. Tut auch gut. Wie soll das gehen, Entspannung und Aktivität verbinden?
1980 oder 81, beim ersten Seminar mit meinem langjährigen Lehrer Meister K.H.Chu in meiner Schule, die damals in Frankfurt-Nied war, gingen uns Taiji-Adepten, die wir seit einigen Jahren diese Kunst praktizierten, die Augen auf. Hatten wir doch gedacht, Taiji üben bedeute, sich mit dem Strom auf dem Weg des geringsten Widerstandes treiben zu lassen. Aber nun hörten wir, dass es eher darum gehe, stromaufwärts zu rudern, um das zu verwirklichen, was im Englischen „continuous improvement“ heißt, oder lebenslange „Selbstkultivierung“, bei den Chinesen. So wie die Lachse stromaufwärts ziehen, auf ihrem Weg in ihre Laichgründe, um ihr Leben dort zu erfüllen und zu sterben.
So abwegig, wie der Vergleich Wein –Taiji erscheinen mag, ist er nämlich nicht, denn in China spricht man davon, Taiji zu „schmecken“:
Die Taiji-Bewegungen müssen integriert, immer als Ganzkörperbewegung, und sehr langsam ausgeführt werden. Man kann sie sich vorstellen als immer feinkörniger gegliederte Abfolge von Bewusstseinsmomenten, die man „schmecken“ muss – Taiji „schmecken“