„Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen“ (chinesisch)
Stellen Sie sich vor, Sie wollen eine neue Sprache erlernen, natürlich nicht nur sie sprechen, sondern auch schreiben können. Sie gehen in eine Sprachschule, belegen einen Kurs, aber gleich in der ersten Stunde wird Ihnen gesagt, mit welcher Hand sie schreiben sollen: nur mit der linken. Eigentlich schreiben Sie aber immer rechts, weil Sie Rechtshänder sind, aber, nun gut, es wird schon richtig sein – schließlich ist es ja eine fremde Sprache, vielleicht macht man es da so – und Sie geben sich ordentlich Mühe, umzulernen, weil es von Ihnen verlangt wird. Aber es fühlt sich eigentlich nicht wirklich gut an.
So ging es den linkshändigen Kindern bis in die 1970er-Jahre hinein, wenn sie auf rechts umerzogen wurden. „Da Rechtshändigkeit in unserer Gesellschaft als Norm gilt, wurden Linkshänder bis in die 1970er-Jahre in der Regel spätestens mit der Einschulung gezwungen, ausschließlich die rechte Hand als Schreibhand zu verwenden. Bei diesen `umgeschulten` Linkshändern zeigten sich in der Folge häufig negative Begleiterscheinungen – beispielsweise psychische Probleme, schlechtere Schulleistungen, Gedächtnis- oder Sprachstörungen (z. B. Stottern), Bettnässen; auch die Lese- und Rechtschreibschwäche (Legasthenie) wird in einigen Fällen als Folge der Umerziehung eines Linkshänders angesehen. Einige umerzogene Linkshänder berichten zudem von einer Art innerer Zerrissenheit, wenn sie etwa die linke Hand zum Zeichnen verwenden. Auch heutzutage ist es vielerorts noch üblich, Linkshänder umzuerziehen, da die neuronalen Zusammenhänge und die psychischen und kognitiven Folgen der Umerziehung noch nicht ausreichend in der Bevölkerung bekannt sind. So glauben manche noch immer, ein Linkshänder habe es in einer Welt von Rechtshändern dann einfacher, wenn er gleich auf rechts umerzogen wird.“(Wikipedia)
Erst seit etwa 40 Jahren allmählich verstanden wird, dass Linkshändigkeit nicht Ausdruck eines „schlechten Charakters“, sondern eine ganz normale Variante des Gehirndominanzmusters ist und dass die Umschulung auf die rechte Hand schadet, ist Rechtshändigkeit nicht mehr „politisch korrekt“. Deswegen wird es in einer Sprachschule eine solche Situation wie die oben konstruierte heute auch nicht geben (und hat es wohl auch nie gegeben).
Aber stellen Sie sich vor, Sie wollen etwas für Ihre Gesundheit tun und melden sich in einem Sportstudio etc. oder auch in einer Taiji-Schule an. Da gilt aber ganz allgemein das Vorurteil der „politisch-korrekten Rechtshändigkeit“ noch: nur dass sich niemand über Ihre Hände kümmert, sondern um Ihren Atem – und da ist Ausatmen gleich Rechtshändigkeit. Da gilt wie selbstverständlich: Beim Krafteinsatz muss ausgeatmet werden. Dass es aber genau so viele Menschen gibt, die ihre Kraft beim Einatmen gewinnen, ist nicht bekannt. Die weichen halt von der „politisch korrekten“ Norm ab wie früher die Linkshänder, und kommen sich, stillschweigend, als unzulänglich vor, weil sie die „Norm“ mit ihren Anstrengungen nicht erfüllen können. Aber sie stellen die Gleichung „Ausatmen=Kraft“ nicht in Frage, weil sie nicht wissen, welcher Atemtyp sie sind.
Was bedeutet eigentlich „Atemtyp“? Zunächst, was nicht damit gemeint ist: die persönliche Art zu atmen, also ob jemand flach, tief, hoch atmet oder ob er lieber die so genannte „Zwerchfellatmung“ oder die „Brustatmung“ einsetzt. Sondern gemeint ist, ob man ein „Einatmer“ oder ein „Ausatmer“ ist, bei dem der Organismus von der Ausrichtung der gesamten Muskulatur (nicht bloß der Atemmuskulatur!) geprägt ist, und zwar eben entweder vom Einatmen oder vom Ausatmen. Der Atemtyp ist festgelegt mit der Geburt, und man kann ihn nicht verändern. Man kann ihn zwar überformen, durch falsches Atmen – „falsch“ ist eine Atmung, die gegen den eigenen Atemtyp geübt wird – und da kommen die Lehrer und Therapeuten ins Spiel, die entweder nach der festgelegten „politisch korrekten“ Norm andere in ihrer Atmung beeinflussen oder ihre eigene Erfahrung zur Norm machen, die sie weitergeben. Nichts ist schlimmer als Halbwissen, das als absolute Erkenntnis daherkommt.
Also geht es darum, zunächst zu erfahren, welcher Atemtyp man ist, und dann zu erkennen, wie man in seiner Atmung dem entspricht oder davon abweicht. Mit dem Atemtyp umzugehen ist also ein „praktischer Erkenntnisprozess“ und keine „Atemtechnik“, die, vom Willen gesteuert, versucht, das Funktionieren des Körpers per „Selbstmanagement“ zu „optimieren“. Unser Atem ist die einzige organische Funktion, die sowohl willkürlich beeinflusst werden kann wie auch unabhängig von unserem Willen lebt; „machen“ allein ist nur die halbe Wahrheit.
Wieso gibt es den „Atemtyp“? Ebenso wie bei der Erforschung der „Händigkeit“ die Ursachen dafür bis heute offen sind („es gab bereits zahlreiche Ansätze, die Ursache von Linkshändigkeit zu erforschen. Trotzdem konnte keine der bisherigen Theorien allein und widerspruchsfrei klären, wie die Hand-Präferenz eines Menschen entsteht“ Wikipedia) ist es mit der Lehre von den Atemtypen: das Erklärungsmodell, das Sonne oder Mond für den „Ausatmer“ oder „Einatmer“ heranzieht, ist mit der heutigen Wissenschaft nicht beweisbar. Aber nichtsdestotrotz gibt es beide Atemtypen, so wie es rechte und linke Händigkeit gibt – Beweis hin oder her. Auch die Wissenschaft muss dazulernen. Aber vor allem die Praxis im Bereich Sport und Bewegung.
Was folgt daraus? Lassen Sie sich nicht „umschulen“, sondern hinterfragen Sie, wenn sie bereits beim Einsatz Ihrer Atmung festgelegt wurden, sich aber dabei unwohl fühlen, die „Ausatmer-Norm“, die da ungefragt herrscht. Einer meiner Schüler, der auch ins Sportstudio geht und an Geräten trainiert, drückte es mal so aus: „die, die schnaufen, das sind die Einatmer“ – weil sie nämlich das Ausatmen gegen ihren Atemtyp forcieren (sollen) und deswegen nach Luft schnappen, die sie eigentlich zum Krafteinsatz brauchen. Sie müssen es nämlich umgekehrt machen: beim Krafteinsatz einatmen. Er, ein „Einatmer“, hat es befolgt – und schnauft jetzt nicht mehr.
Gegen den eigenen Atemtyp zu handeln ist nicht vorteilhaft, ebenso wie sein ganzes Leben lang mit der falschen Hand zu schreiben. Siehe oben. Nur sind die schlechten Ergebnisse, die auf falsches, weil nicht typ-gerechtes Atmen zurückzuführen sind, noch kaum bekannt. Aber immerhin gibt es Fallberichte über Heilungen aus der über 40-jährigen Praxis der Kinderärztin Dr. Charlotte Hagena, einer Pionierin der Atemtyplehre (Charlotte und Christian Hagena, Konstitution und Bipolarität - Erfahrungen mit einer neuen Typenlehre, Haug-Verlag), und es gibt zahlreiche Zeugnisse aus der Arbeit von Menschen, die aus der Kenntnis der Atemtyp-Lehre heraus mit Menschen arbeiten. Und es gibt die mittlerweile fast 10-jährige Erfahrung mit FriederAnders:AtemTypTaiji® an unserer Akademie. Wir alle leisten Pionierarbeit, damit immer mehr Menschen Windräder statt Mauern bauen, um den Wind der Veränderung für sich selber nutzen zu können.