Wir sitzen uns tot

01. Oktober 2016 | Frieder Anders | Wir sitzen uns tot

Tag für Tag ereilen uns Hiobsbotschaften über Tod und Bedrohung. Neben Krieg, Terror und Umweltkatastrophen soll uns seit Ende der 1980er Jahre sogar das Fernsehen bedrohen (Neil Postman: »Wir amüsieren uns zu Tode«). Kürzlich legte ein Bericht von Focus online (19.09.2016) noch reißerisch einen drauf: nicht nur das Fernsehen, sondern auch das Sitzen tötet: »Schädlicher als Rauchen: Eine Stunde Sitzen kostet uns 22 Minuten unseres Lebens«. Der Autor dieser Behauptung, Dr. James Levine, erforscht an der Arizona State University Lösungen gegen Übergewicht. Seine simple Schlussfolgerung: »Wir sitzen uns tot.«  Sitzen sei gefährlicher als Rauchen, töte mehr Menschen als HIV und sei tückischer als Fallschirmspringen, behauptet er. Nur zwei Stunden Sitzen am Stück erhöhten die Risiken für Herzerkrankungen, Diabetes, Metabolisches Syndrom, Krebs, Rücken- und Nackenschmerzen und andere orthopädische Probleme.

Nicht einmal ein gesundheitsbewusster Lebenswandel soll helfen: »Selbst wenn Sie gesund essen und regelmäßig eine Stunde am Tag trainieren, aber Ihre restlichen Wachstunden ganz oder größtenteils sitzend verbringen, schmälert oder annulliert dies die positiven Effekte Ihrer Fitnessbemühungen«.

Ojeh. Dass Sitzen als Couchpotatoe und Chips aus dem gleichen Stoff mümmeln nicht gesund ist, das wussten wir ja. Auch das Sitzen im Büro. Aber sind wir nun doppelt verdammt durch Sitzen und die Hinfälligkeit aller Warnungen und Rat-Schläge, die durchs Internet geistern? Kein Ausweg? Vielleicht ja dieser: Richtig sitzen lernen. So empfiehlt es uns die Ergonomie, die Wissenschaft von der Anpassung der Arbeitsbedingungen an den Menschen und seine Eigenschaften. Sie teilt uns durch Bildchen mit, wie richtiges Sitzen sein soll. Eines davon ist diesem Beitrag vorangestellt. Ein wenig fühlt man sich an „Geradesitzen“ aus der Schulzeit erinnert, nicht? Die zugrundeliegende Vorstellung von Aufrichtung hat einen Anklang ans Militär, weil der Soldat so besser Befehle ausführen kann. Wem das zu radikal, ist, der oder die mag sich allerdings vor Augen führen, dass Ergonomen den Körper als physikalischen Körper ansehen und vermessen – ohne Berücksichtigung der Energien, die durch den Körper fließen könnten, wenn man sie nur ließe. Dieser energetische Aspekt fehlt beim disziplinierten Stillsitzen oder Strammstehen. Wer gelernt hat, auf seinen oder ihren Körper zu hören, weiß bereits: »sich zusammenreißen« ist keine Einstellung, die dem Fluss der Lebensenergie förderlich wäre.

Vielleicht geht lebendiges Sitzen also anders: Wie wäre es, wenn wir uns eine Körperhaltung aneignen, die stressfreies und nicht-militärisches Sitzen erlaubt? Eine, die das Qi und die Atmung frei fließen lässt, und uns die Freiheit gibt, ja die Lust weckt, ab und zu mal aufzustehen und etwas Taiji oder QiGong zu machen?

Das wäre eine Sitzhaltung, die den eigenen Körper schätzt, liebt, ihn versteht und freundlich mit ihm umgeht. Die Rede ist vom atemtypgerechten Sitzen.

Auf der Homepage der Terlusollogie ® finden sich folgende Darstellungen. Sie bedürfen keines Kommentars, weil Erklärungen integriert sind.

Für Einatmer wird folgende Sitzhaltung empfohlen
www.s224198223.online.de/wsb4710187901/33.html

und für Ausatmer diese 
www.s224198223.online.de/wsb4710187901/34.html

Tja, da ist nun wirklich nichts mehr enthalten von Kopf-hoch, Brust raus! Mein Tipp: ausprobieren, auch wenn’s ungewöhnlich ist und andere schief gucken – egal, für die eigene Gesundheit ist jeder und jede selbst verantwortlich.

Dazu passt auch ein Gegenbeweis, den weder die Angstmacher noch die Ergonomen bislang ernst genommen haben: Wie ist es mit den Mönchen, z.B. im Buddhismus, die den Großteil des Tages mit Sitzen verbringen? Sterben die früh? Eher werden sie älter als andere.  Wer diese lebendige Art des „Sitzens“ für sich erlernen möchte: www.taiji-vorpahl-zen.de.

Oder auch hier: Im Bildungsurlaub 2017 versuchen wir, ergonomische Erkenntnisse mit den Erfahrungen des AtemtypTaiji zu verbinden, die dann beim Sitzen im Alltag angewendet werden können. Thema:

»Wie kann ich durch atemtypgerechte Körperhaltung meine Gesundheit und Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz verbessern?«

www.taijiakademie.de/bildungsurlaub

In diesem Sinne: nehmen Sie Platz, setzen Sie sich, ohne sich tot zu sitzen – ein Angebot hierfür: Entdecken Sie die Lehre von den Atemtypen und sehen Sie, was sie Ihnen an Lebendigkeit bringt. bringt kann.