Mein Mampf - rechts gegen rechts

31. August 2017 | Frieder Anders | Mein Mampf - rechts gegen rechts

Mein Mampf – rechts gegen rechts

Wie man einen Angreifer ins Leere laufen lässt, und wie man seine aggressive Kraft gegen ihn wendet – das lernt man im Taiji, nach dem Prinzip »siegen ohne zu kämpfen«, welches auch das Motto des bekannten Werkes über die Kriegsführung des Sunzi ist. Wie man das im politischen Alltag anwenden kann, hat die Stadt Wunsiedel 2014 gezeigt, als sie den alljährlichen Aufmarsch der Neonazis zum Gedenken von Rudolf Heß in eine Aktion »rechts gegen rechts« umfunktionierte – mit Witz und Erfolg.
www.rechts-gegen-rechts.de.

Der Verzicht auf gewaltsamen Widerstand war nicht bloß moralisch und ethisch begründet, sondern, wie auch im Taiji, strategisch: »Ich möchte einem Nazi auch eins auf die Nase geben«, so Maria Stephan vom United States Institute of Peace (New York Times, 21.08.2017, die anlässlich von Charlottesville über diese Aktion berichtete) »aber es gibt einen Unterschied zwischen therapeutischer und strategischer Antwort.«

Und das war die Strategie der Stadt Wunsiedel auf den Aufmarsch der Neonazis: sie freundlich ins Leere laufen zu lassen und die Energie der ›Angreifer‹ gegen diese zu wenden und sich selbst zunutze zu machen. »Das Prinzip war recht einfach und ziemlich genial: Für jeden Meter, den ein Neonazi zurücklegte, gingen 10 Euro an das Aussteigerprogramm Exit-Deutschland. Die ›Läufer‹ selbst erfuhren davon allerdings erst auf der Strecke. ›Damit auch der untrainierte Neofaschist im Spendenschritt über die Ziellinie kommt‹ und möglichst viel Geld in die Exit-Kasse spült, wurde sogar für Verpflegung gesorgt«. (sueddeutsche.de, 16.11.2014)

Es gab Bananen, (s. Bild) »Gleich sind sie reif. Gleich gibt es ›Mein Mampf‹ für den Endspurt« (Quelle: sueddeutsche.de, 16.11.2014), und am Streckenrand des »unfreiwilligsten Spendenlaufs Deutschlands« hingen Plakate wie »Flink wie Windhunde, zäh wie Leder – und großzügig wie nie!« und am Ende gab es eine Siegerurkunde für die Teilnehmer des Spendenlaufs.

»Zeitgleich zum unfreiwilligen Spendenlauf gingen etwa 500 Menschen gegen Rechtsextremismus auf die Straße. Zu der Gegen-Demo hatten der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Kirchen und die Bürgerinitiative ›Wunsiedel ist bunt, nicht braun‹ aufgerufen. Drei Rechtsextreme wurden wegen Beleidigung und Körperverletzung kurzzeitig festgenommen, wie ein Polizeisprecher sagte. Ansonsten seien beide Veranstaltungen friedlich verlaufen.« (sueddeutsche.de)

Ob von dieser Aktion einige Neonazis zum Ausstieg aus der Szene bewegt wurden, weiß ich nicht, die Aufmärsche fanden aber nach 2014 immerhin im Schutz der Dunkelheit statt, in der ja alle Katzen grau und gegen-demonstrierende Plakate unsichtbar sind. Die Einwohner von Wunsiedel hatten ihre Aktionen ›gegen‹ diesen Aufmarsch wieder weiter weg von den Neonazis in die Innenstadt verlegt. Anstatt eines Fackelmarsches gab es passend zum Martinstag einen Umzug mit Laternen. Dort nahmen laut Bayerischem Rundfunk bis zu 400 Personen teil.